Die St. Matthäuskirche in Erlangen - ein Gesamtkunstwerk
Die St. Matthäuskirche in Erlangen ist - wie ihre Schwesterkirche St. Matthäus in München, die Bischofskirche, und etliche weitere Kirchen in Deutschland - ein Werk des renommierten Architekten Gustav Gsaenger. Auch der Prospekt der Walcker-Orgel von 1961 wurde von Gustav Gsaenger entworfen und steht heute zusammen mit der Kirche unter Denkmalschutz.
Warum soll eine neue Orgel gebaut werden?
Die St. Matthäuskirche in Erlangen wurde 1960 als Oratorien- und Konzertkirche gebaut. Entsprechend dieser im Großraum einzigartigen Bauweise wird sie seit ihrer Gründung sehr erfolgreich genutzt. Im ständigen Blickfeld der Kirchenbesucher steht die große Orgel hinter dem Altar und den erhöhten Podesten für Chor und Orchester. Der Orgelprospekt ist entscheidendes Gestaltungselement dieser Kirche. Gleichzeitig verfügt der Kirchenraum über eine hervorragende Akustik, die sowohl für große symphonische als auch solistisch-kammermusikalische Besetzungen sehr gut geeignet ist.
Die Oratorien- und Konzertaufführungen an der St. Matthäuskirche haben sich in Erlangen längst ungeteilte Anerkennung erworben und genießen seit Jahrzehnten auch überregional einen herausragenden Ruf.
Da sich die Walcker-Orgel von 1961 nach etwa fünfzig Jahren in einem Zustand befand, der mit vertretbarem Aufwand nicht so wiederhergestellt werden konnte, dass ein konzertanter Einsatz möglich ist, wurde vom Kirchenvorstand der Bau einer neuen Orgel beschlossen.
Frischer Wind durch neue Pfeifen
Musik berührt und verändert.
Wir sind eine offene Gemeinde.
Hier kommen Menschen zusammen und schaffen gemeinsam Bleibendes.
Den Verantwortlichen in der Gemeinde St. Matthäus war klar, dass die Finanzierung einer neuen Pfeifenorgel Sache der Gemeinde sowie ihrer Förderer und Gönner sein würde. Mit Zuwendungen der Landeskirche war nicht zu rechnen, man konnte höchstens auf Gelder aus Stiftungen hoffen. Das für das Projekt gewählte Motto "Frischer Wind durch neue Pfeifen" sollte dafür stehen, dass der Orgelneubau auch ein Gemeindeaufbauprojekt ist, ein Großprojekt, bei dem viele Gemeindeglieder mitwirken und beteiligt sein sollen: während der Phase des Sammelns von Spendengeldern und später durch die vielfältige Nutzung der Orgel ("Orgel plus").
Um die finanziellen Mittel zum Orgelneubau zu requirieren, wurde 2012 der Förderverein Orgelbau St. Matthäus Erlangen e. V. gegründet, dessen Mitglieder es sich zur Aufgabe gemacht haben, das Orgelneubauprojekt voranzubringen. Viele Einzelspenden und viele Aktionen wie Benefizkonzerte, Vorträge, Verkaufs- und Bewirtungsprojekte trugen dazu bei, dass der Spendenstand wuchs. Das Glück zweier Großspenden beförderte das Projekt entscheidend.
Auf dem Weg zu einer neuen Orgel
Nachdem der Spendenstand dank der beiden Großspenden in eine Höhe gewachsen war, die eine Realisierung des Orgelneubaus in absehbarer Zukunft umsetzbar erscheinen ließ, unternahmen Mitglieder des Orgelbauvereins und interessierte Gemeindeglieder mit der Kantorin, den Geistlichen und dem Orgelsachverständigen Martin Schiffel Fahrten durch ganz Deutschland zu verschiedenen Referenzorgeln der angefragten Orgelbaufirmen.
Mit der Orgelbaufirma Klais in Bonn, die kurz zuvor u. a. die Orgel in der Elbphilharmonie gebaut hatte, wurde eine Firma beauftragt, die in besonderer Weise die klanglichen und ästhetischen Gesichtspunkte des Kirchenraums von St. Matthäus berücksichtigt und durch eine große Klangfarbenvielfalt ein sehr breites Spektrum an musikalischen Möglichkeiten eröffnet. Da die Orgel im Blick des Publikums steht, bildet sie in besonderer Weise Möglichkeiten der Verbindung von Orgelmusik mit Chor, Orchester und Solistinnen und Solisten auf Blas- und Percussioninstrumenten, aber auch mit Tanz und Rezitation. Diese als "Orgel plus" bezeichnete Vision verspricht besondere Strahlkraft der Musik an St. Matthäus weit über die Gemeindegrenzen hinaus.
Planungsphase der neuen Orgel
Die große, 3-manualige neue Orgel der St.Matthäuskirche wird wie ihre Vorgängerin vorne, im Sichtfeld von Gemeinde und Publikum, aufgestellt sein. Die aus Gründen des Denkmalschutzes zwingend vorgeschriebene Konservierung des von Gustav Gsaenger entworfenen Prospektes schränkte die äußere Gestaltung der neuen Orgel in starkem Maße ein. Firma Klais legte schließlich einen Entwurf vor, bei dem der alte Prospekt in seiner Silhouette erhalten bleibt und das neue Gehäuse samt der vier Werke, Windversorgung etc. dahinter entstehen. Die neue Orgel wird schmaler, aber höher bauen, und sofern sie über den alten Prospekt hinausragt, durch vertikale teils farbig gefasste Röhren kaschiert (Bild auf der Startseite).
Die St. Matthäuskirche mit ihrer gewölbten Holzdecke verfügt über eine hervorragende Akustik, die es erlaubt, dass die Orgel in einer großen Farbenvielfalt über ein breites Spektrum an Klangmöglichkeiten zwischen zarten, kammermusikalischen Tönen und einem raumfüllenden, symphonischen Orgelklang verfügt. Mit einer Disposition, die sich an den großen Vorbildern des mitteldeutschen Orgelbarock orientiert, die aber gleichzeitig Möglichkeiten zum Zusammenspiel mit Chören, Orchestern und Solisten eröffnet, wird der Vielseitigkeit ihrer Einsatzmöglichkeiten Rechnung getragen. Sobald die Disposition festgelegt war, gab es die Möglichkeit, Pfeifenpatenschaften zu erwerben.
Disposition
I. Hauptwerk
1. Salicional 16´
2. Principal 8´
3. Viola da Gamba 8´
4. Flaut d´amour 8´
5. Oktave 4´
6. Rohrflöte 4´
7. Quinte 2 2/3´
8. Superoktave 2´
9. Terz 1 3/5´
10. Mixtur IV 2´
11. Trompete 8
II. Positiv
12. Suavial 8´
13. Rohrflöte 8´
14. Quintatön 8´
15. Principal 4´
16. Spitztraverse 4´
17. Nasat 2 2/3´
18. Spillpfeife 2´
19. Terz 1 3/5´
20. Sifflet 1 1/3´
21. Cymbel III 1´
22. Vox humana 8´
Tremulant
III.Schwellwerk
23. Stillgedackt 16´
24. Geigenprincipal 8´
25. Bordunalflöte 8´
26. Aeoline 8´
27. Vox coelestis 8´
28. Fugara 4´
29. Flauto 4´
30. Flautino 2´
31. Fagott 16´
32. Trompette 8´
33. Hautbois 8´
Tremulant
Pedal
34. Untersatz 32´
35. Prinzipal 16´
36. Salicetbass 16´
37. Subbass 16´
38. Stillgedackt 16´
39. Oktavbass 8´
40. Gedecktbass 8´
41. Choralbass 4´
42. Posaune 16´
43. Trompete 8´
Cymbelstern
Koppeln, Schweller, Walze
Abschied von der Walcker-Orgel
Am 17. Juli 2020 wurde der Abschied von der Walcker-Orgel gefeiert - unter Corona-Bedingungen, aber doch mit etlichen geladenen Gästen und politischer Prominenz sowie als Livestream. Wenige Tage später begann der Abbau der Orgel. Der denkmalgeschützte Prospekt ging zu Firma Klais nach Bonn, zwei Register wurden zum Versteigern an Liebhaber und Interessentinnen zurückbehalten, alles Weitere trat die Reise in den Süden Polens an. Was von der Orgel noch verwendbar ist, wird dort in einer Neubaukirche in einer neu zu bauenden Orgel zur Aufstellung kommen.